Kurzentschlossen ging es also raus aus dem verregneten, grauen Bremen und ab ins ebenso verregnete, dafür aber sehr grüne, Schottland. Nach knapp zwei Stunden Flug erreichten mein Reisecompagnon Jan und ich Edinburgh und sofort verliebte ich mich in dieses Fleckchen Erde. Wir verbrachten leider nur einen Abend in dieser zauberhaften Stadt, zogen mit einem echten Schotten durch die Pubs, tranken einige pints of beer und ein Glas Whisky, bevor wir müde in unsere Hostelbetten fielen.
Nach einem kurzen Abstecher ins Geburtscafé Harry Potters (The Elephant House) begann am nächsten Tag unsere Busreise über Aberdeen bis zu einem Vorort von Buckie, auf der uns sogar Scones mit Butter und Marmelade, Getränke und Süßigkeiten serviert wurden. Durch die Fenster sahen wir bereits die ersten Ausläufer der Highlands und schmiedeten Pläne für die vor uns liegende Zeit.
Am Startpunkt unserer Wanderroute angekommen, machten wir dort weiter, wo der letzte Abend aufgehört hatte und versackten in einem Pub inmitten von Bikern, Dorfbewohnern und Geburtstagsfeiern, ehe wir vor der ersten Nacht im Zelt noch ein erfrischendes Bad in der gar nicht mal so warmen Nordsee nahmen.
Für Nachahmer: Wer nicht bis ans Reiseende feuchte Klamotten im Rucksack tragen will, trocknet sich nach dem Baden erst einmal ab.

Wir liefen bis zur Mündung der Spey in die Nordsee, freuten uns tierisch über am Strand liegende Robben und wanderten entlang des Ufers über grüne Wiesenwege. Schnell noch einen Abstecher (zu dem Zeitpunkt waren wir noch motiviert, extra Wege in Kauf zu nehmen) zu einer stillgelegten Bahntrasse, um dann durch eine weitere Etappe durch den Wald in den größten Ort auf dem Speyside way zu gelangen: Fochabers, 2 000 Einwohner, hier steppt der Bär.
Bevor wir auf dem Zeltplatz die Bekanntschaft der Midgets machten, gönnten wir uns nach der ca. 24 km langen Strecke erst einmal eine leckere, fettige Pizza, um ein Viertel der verbrauchten Kalorien aufzufüllen.
Midgets: Kleine fruchtfliegenartige und mückenähnliche Insekten, welche in Schwärmen um deinen Körper schwirren und dich in jeglichen Millimeter Haut zwicken, den sie nur finden können. Ich habe den Interneteinträgen vor der Reise natürlich keinen Glauben geschenkt und mit einem „ach, das sind doch nur ein paar kleine Mücken“ die Tropenschutzkleidung zuhause gelassen.
Wie auf jedem Zeltplatz erwartete uns auch dort wieder ein netter, älterer Schotte, der beim Anblick unserer erschöpften Gesichter erst einmal mit ernstem Gesicht darauf hinwies, dass der Platz voll sei, und dann lauthals loslachte, als mir vor Schreck offenbar die Gesichtszüge entglitten.

Mit zwölf Blasen unter den Füßen liefen wir am nächsten Tag quasi wie auf Wolken (oder doch eher wie auf Nadelkissen) weiter bis Boat o Brig, wo wir feststellten, dass es wirklich keinen Ort sondern nur eine Brücke gab (man sollte auch Reiseführern gegenüber skeptisch sein), bevor wir den ersten größeren Anstieg wagten. Zum Glück war uns der Wettergott gnädig und erfrischte uns immer wieder mit Regenschauern. Diese sorgten auch dafür, dass der Schweiß der Anstrengung des Bergauflaufens gar nicht mehr auffiel. Wir kamen uns vor wie in den Tropen: Grün, feucht, aber nicht ganz so warm.
Leider bekam ich die Rechnung für monatelange „nächste-Woche-fange-ich-aber-wirklich-mit-Sport-an“-Ausreden bereits an diesem zweiten Wandertag. Da offenbar ein unsichtbares Schwert in meinem Knie steckte, konnte ich fortan nur noch hinter Jan her humpeln. Alle Fotos, die ab dem Zeitpunkt des Abstiegs entstanden, zeigten also Jan von hinten und mich mit gequältem Gesichtsausdruck von vorn.
Dennoch nahm ich die wunderschönen alten Eichen wahr, die den Schlussteil des Weges säumten. Mit Sätzen wie „Ich glaube, in einer Meile sind wir da“, motivierte mich Jan, die restlichen 8 Meilen weiter zu kriechen und verlor bis zum Ende des Urlaubs nicht einmal die Geduld, was mich nachhaltig beeindruckt hat.

Aber erst einmal ging es am Tag darauf mit der Geschwindigkeit einer lahmenden Schnecke weiter nach Aberlouer, immer dem Keksgeruch der Walkers Shortbread-Fabrik hinterher bis zu unserer ersten Destilleriebesichtigung. Dort endet die Erinnerung.
Mit der Feststellung, dass von Aberlouer keine Busse direkt Richtung Süden fahren, nahmen wir also einen minimalen Umweg über Elgin und Inverness in Kauf und fuhren direkt an unseren Zielort Aviemore. Nicht, ohne in Elgin unsere zweite Destillerie (Glen Moray) zu besuchen und unsere Lebensgeister bei der Probe dreier Scotch Whiskys zu wecken.


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