Samstag, 1. Oktober 2016

Herbstmelancholie


Es ist soweit: die letzten Ausläufer des Sommers werden immer schwächer und der Herbst zeigt dafür umso deutlicher sein Gesicht. Ein kräftiger Wind wehte mir heute Nachmittag bei einem Spaziergang durch den Wald um die Ohren, pustete meinen Kopf frei und das Laub von den Bäumen. Sanft rieselten Eichen- und Kastanienblätter auf die Erde und bedeckten den Boden mit einer dichten, raschelnden Schicht, durch die ich freudig strahlend hindurchwatete.

Der Herbst ist meine liebste Jahreszeit und das liegt nicht etwa daran, dass ich selbst ein Kind des Herbstes bin. Es ist vielmehr die wunderschöne Melancholie, die der Herbst jedes Jahr aufs Neue verbreitet. Die Tage werden kürzer und dunkler und wir kehren in uns, um über Vergangenes und Zukünftiges nachzudenken. Die Zeit zwischen Sommer und Winter, in der das Grün vergeht und das Leben nur scheinbar aus allen Pflanzen weicht, erinnert mich alljährlich an eines der Leitmotive der Barockepoche, vanitas. Die Nichtigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens wurden besonders in der Literatur des 17. Jahrhunderts thematisiert, doch eben jenes können wir Jahr für Jahr auch in der Zeit des Herbstes lesen.

Nachdenklichkeit und Melancholie hüllen uns jetzt ein und machen uns bewusst, welchen Wert das Leben hat und welche Schönheit es in sich trägt. Wenn die Sonne im Oktober untergeht und ihr warmes Licht über das bunte Herbstlaub ergießt, wird jeder diese Schönheit erkennen können, die eigentlich viel zu kitschig ist, um real zu sein. Die Natur beschenkt uns in diesen Monaten mit leckeren Äpfeln, Kürbissen und Getreide, was für uns selbstverständlich geworden ist, aber früher mit Festen gewürdigt wurde. Es ist eine Zeit der Dankbarkeit gegenüber dem Leben und der Natur, der wir begegnen und die wir genießen sollten.

Nach meiner heutigen Begegnung mit der Natur schlüpfte ich in meine Kuschelsocken, trank eine Tasse heißen Kakaos und zog mich mit einem guten Buch zurück in mein warmes Bett, während ich zufrieden dem Prasseln des Regens an der Fensterscheibe lauschte und dankbar war, im Trockenen zu sitzen.